
Von Kitaplätzen und Selbstbestimmung
Seit dem Jahr 2013 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Eigentlich. Einige Länder und Gemeinden haben die Vorgaben zufriedenstellend umgesetzt.
In Hamburg etwa umfasst der Anspruch fünf kostenlose Stunden Grundbetreuung inklusive Mittagessen für alle Kindergarten- und Krippenkinder. Zusätzliche Stunden können zugebucht werden, und ein Gutscheinsystem regelt, wer wieviel zahlt. Bei 8 Betreuungsstunden zahlt eine Familie mit drei Kindern in der höchsten Einkommensklasse nur ca. 280 € inklusive Mittagessen. Und fast noch wichtiger: in der Regel sind genügend Plätze vorhanden. Ob Bewegungskindergarten, zweisprachige Krippe oder klassische Kita: man hat die freie Wahl. Ein Grund dafür liegt darin, dass nach einem erfolgreichen Volksbegehren bereits im Jahr 2004 mit dem Ausbau des Betreuungsangebotes begonnen wurde. Dabei wurden auch Anreize für Tagesmütter geschaffen, sich selbstständig zu machen. Es gibt eine Schulung, die Einrichtungen werden vom Land gefördert, und die privaten Betreuungsplätze sind noch günstiger als die in den öffentlichen Einrichtungen. Für die schulische Nachmittagsbetreuung gibt es zwar leider immer noch keinen Rechtsanspruch. In Hamburg hat die Stadt das zum Glück selbst geregelt: es gibt flächendeckend Ganztagsschulen mit Ferienbetreuung. Ein super System! Ähnlich sieht es im größten Teil Ostdeutschlands aus.
Doch in anderen Regionen sieht die Situation leider extrem düster aus. Beispielsweise in Schleswig-Holstein oder Bayern. In und um München fehlen hunderte Betreuungsplätze, vor allem in Kindergärten und Horts. Viele Eltern haben keine Möglichkeit, ihre Kinder in einer Einrichtung vor Ort oder auch in Nachbarorten unterzubringen. Stattdessen lange Wartelisten. Kommen die Kinder erstmal in die Schule, wird es richtig hart: der Unterricht endet teilweise um 11:20 Uhr, und 12 Wochen Schulferien sind komplett ungedeckt, denn Hortplätze gibt es mancherorts lediglich für 20 % der Kinder. Über die Kosten wollen wir gar nicht sprechen, sie betragen ein Vielfaches von denen in Hamburg. Was sagt uns das?
Für einen Elternteil wird dadurch eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nahezu unmöglich. Und das im Jahr 2018! Auf Großeltern kann man sich nicht unbedingt verlassen, sie wohnen oft weit weg oder sind selbst noch berufstätig. Außerdem ist es ja inzwischen die Aufgabe des Staates, die Tagesbetreuung zu sichern, und nicht die der Familie.
Das sehen Politiker in einigen Bundesländern offenbar anders. Sie folgen weder den Vorgaben des Bundes, noch jenen der Europäischen Union, die einen bedarfsdeckenden Ausbau der Kinderbetreuung und die grundsätzliche Erwerbstätigkeit aller erwachsenen Personen vorsehen.
Es ist Fakt, dass Väter meist in Vollzeit und Mütter eher in Teilzeit arbeiten. Die Gründe zu vertiefen, würde hier zu weit führen. Vor allem spielen veraltete kulturelle Rollenbilder und die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern eine Rolle. Und fehlt die Betreuung, bleibt Mama eben daheim. Das kann heute einfach nicht mehr sein!
Bereits im Jahr 2007 gab es eine Riesenumwälzung im Scheidungsrecht: Ehepartner, und zwar auch die, die Kinder erziehen, haben keinen Anspruch mehr auf langfristigen nachehelichen Unterhalt. Meiner Meinung nach kam dieses Gesetz viel zu früh. Die Reihenfolge hätte eine andere sein müssen: erst flächendeckende staatliche Kinderbetreuung, ganztags, für alle Altersgruppen und durchgehend auch in den Ferien (wer das nicht in Anspruch nehmen möchte, kann es ja sein lassen). Dann eine deutlich gestiegene Erwerbstätigenquote von Müttern. Und dann hätte das Gesetz kommen können. Denn liebe Politiker: Wir Mütter möchten erwerbstätig sein! Wir wollen unabhängig sein und unseren eigenen Lebensunterhalt verdienen. Mal abgesehen davon, dass die Betreuung auch den Kindern zugutekommt.
Das geänderte Unterhaltsrecht hat eine Abhängigkeit geschaffen, wie sie noch nie da war: gut situierte Familienmütter können durch Scheidung von einem Moment auf den anderen zum Sozialfall werden. Dann nämlich, wenn die Betreuungspolitik es ihnen verwehrt hat, eine eigene Karriere aufzubauen, während der Gemahl zeitgleich zum leitenden Manager aufgestiegen ist. Es droht Mittellosigkeit, jegliche Unabhängigkeit wird untergraben. Also: Schluss mit den Ausreden! Schafft endlich die nötigen bezahlbaren Betreuungsplätze! Ohne Wenn und Aber!