
Geplatzte Träume oder: unser großer Plan vom Leben
Gestern habe ich in einer Kramskiste einen 20 Jahre alten Zettel gefunden: meinen in der 11. Klasse verfassten großen „Plan vom Leben“. Ein DIN A 4-Blatt zeigte, wie ich mir beruflichen Werdegang und Familiengründung vorstellte. Zu dieser Zeit hatte ich gerade die erste längere Beziehung und legte in Stichworten ganz nüchtern dar, dass ich mit 24 mein Studium beenden würde, um dann ein Volontariat im Journalismus zu beginnen und spätestens ab 27 als Journalistin zu arbeiten.
Zugleich wollte ich aber mit meinem damaligen Traummann Alex Kinder bekommen – und zwar mit 23 bis 29 Jahren. Nun, aus der Sicht einer 17-jährigen steht man mit 29 tatsächlich schon kurz vor den Wechseljahren – dennoch überraschte es mich, dass ich damals noch völlig übersah, dass die große Karriere mit einer frühen Mutterschaft nicht so einfach Hand in Hand geht. Zumal Alex einen eher „handfesten“ Beruf hatte und keinesfalls zum Krösus taugte. Doch ungeachtet der Tatsache, dass ich eine feierfreudige Nachteule war, hatte ich von der Familiengründung ungetrübt romantische Vorstellungen.
Obwohl ich eigentlich eine Person bin, die ihre Ideen und Wünsche wenn möglich umsetzt, so sah die Entwicklung in der Realität doch völlig anders aus. Denn erstens war ich mit 24 keineswegs mit dem Studium fertig, sondern noch auf der Suche nach meinem 3. Nebenfach. Zweitens schloss sich an das Studium kein Volontariat an. Der Traum von einer Karriere im Journalismus zerplatzte. Mich nervten die langwierigen Auswahlverfahren der großen Journalistenschulen. Und letztendlich wurde mir doch recht früh klar, dass sich ein stressiger Vollzeitjob mit der Familiengründung nicht so einfach vereinbaren lässt. Gute Jobs erfordern häufig Ortswechsel, und ich war nicht bereit, die stabile Beziehung mit meinem Freund (nein, nicht mehr Alex, aber das ist eine andere Geschichte) in eine Fernbeziehung zu verwandeln. Deshalb schlug ich eine Richtung ein, in der die Work-Life-Balance besser zu verwirklichen ist, und als der Mann mich bat, mit ihm in eine andere Stadt zu ziehen, stellte ich meine Karrierepläne hinter seine.
Nun stelle ich immer wieder im Leben fest, dass ich Pläne mache, während das Leben seine eigene Dynamik hat. Karriere und Familienplanung lassen sich nur mit Mühe vereinbaren, jedenfalls für einen der beiden Partner. Einer bzw. eine muss beruflich zurückstecken, damit das System Familie weiterläuft. Daraus ergeben sich zwar immer auch unerwartete Möglichkeiten, doch Fakt bleibt: das Verwirklichen von großen Plänen läuft nur selten wie gewünscht. Schon John Lennon stellte in einem seiner berühmtesten Zitate fest: „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.“ Der Traum vom großen Lebensplan ist wie eine Seifenblase: sie platzt leise, aber dass sie irgendwann platzt, ist eigentlich gewiss.
Vergleiche ich mich mit mancher Freundin, dann halten sich bei mir die geplatzten Träume noch im Rahmen. Auch wenn ich heute keine ausgebildete Journalistin bin, so konnte ich doch immer das tun, was mir Freude macht: Schreiben. Und die Kinder kamen zwar nicht mit 25, sondern (zum Glück) erst mit Anfang 30. Doch sie kamen ganz selbstverständlich.
Im Gegensatz zu mir platzen bei vielen Frauen weitaus größere Träume. Etwa, wenn der Plan vorsah, zwei Kinder zu bekommen und dann der Kinderwunsch ganz verwehrt bleibt. Oder der Plan vom eigenen Kunstatelier der Lehre zur Bankkauffrau weichen muss. Oder wenn sich beim Wunsch nach einer Großfamilie nicht einmal eine stabile Paarbeziehung einstellt. Dann kann es sehr schwer fallen, das eigene Leben darauf umzustellen und sich von großen Plänen zu lösen. Wir haben schließlich nur ein Leben.
Träume können aber auch noch später platzen. Zum Beispiel, wenn die Ehe scheitert, sobald die Kinder aus dem Haus sind.
Frau sollte sich darauf einstellen, dass Pläne häufiger scheitern, als dass sie sich umsetzen lassen. Weil frau ständig Prioritäten setzen und Kompromisse eingehen muss. Und weil das Leben einfach andere Wege vorsieht. Das ist der einzige Plan, der sich immer verwirklichen lässt: einzukalkulieren, dass die Pläne scheitern.
Aus praktischer Sicht heißt das, sich nicht darauf zu verlassen, dass alles schon laufen wird, sondern rechtzeitig vorzusorgen. Nicht alles auf den letzten Drücker zu starten. Wenn frau eine Großfamilie plant, wird sie auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, wenn sie sich diesem Projekt erst mit 40 Jahren zuwendet. Manche Planänderungen bergen außerdem Risiken. Psychische Risiken, aber auch finanzielle Risiken. Dafür sollte frau immer gewappnet sein. Sich absichern, sich nicht bedingungslos auf den Partner verlassen, etwa was die Altersvorsorge angeht. Ein Sicherheitsnetz ist enorm wichtig. Das macht vieles weniger schmerzhaft und schützt zudem vor heftigen finanziellen Blessuren.