Vätermonate? Gibt es nicht.

Vätermonate? Gibt es nicht.

Über 10 Jahre ist es nun her, dass in Deutschland das Elterngeld eingeführt wurde. Gut, vorher gab es schon den Erziehungsurlaub, aber das war nichts im Vergleich zu dem neuen Gesetz. Denn mit dem damals neuen Elternzeit- und Elterngeldgesetz wurde ein fundamentaler Grundpfeiler dafür gelegt, dass Mütter UND Väter ihre Erwerbstätigkeit mit einer zwischenzeitlichen Babypause verbinden können, ohne hohe finanzielle Einbußen in Kauf nehmen zu müssen. Während es vorher monatlich nur läppische 300 € gab, erhält man nun knapp zwei Drittel des vorherigen Nettolohnes, verbunden mit der Garantie, anschließend in den Job zurückkehren zu können und evtl. auch während der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten.

Eine weitere Neuerung bestand darin, dass eine Familie zwei Monate Elterngeldbezug zusätzlich in Anspruch nehmen kann, wenn jeder Partner insgesamt mindestens zwei Monate nutzt. Ein Partner kann also bis zu 12 Monate Elterngeld beziehen. Wenn sich beide Partner beteiligten, gibt es insgesamt 14 Monate. Eine sehr schöne Regelung, die einem Modell folgt, das schon seit Jahren in verschiedenen skandinavischen Ländern sehr beliebt war. Doch was passierte anno 2007 in Deutschland, als das Gesetz gerade eingeführt werden sollte? Es gab einen Aufschrei der Empörung in der Presse. Auch  der ach so weltoffene Spiegel bot einer ganzen Horde seiner Redakteure eine Bühne, um sich aufgebracht darüber auszulassen, dass der Staat mit diesen 2 „Vätermonaten“ den armen Vater dazu zwingen wollte, daheim zu bleiben. Es waren sieben männliche Redakteure, keine Frau darunter. Der Spiegel erhielt prompt einen Leserbrief von mir, und vermutlich war es nicht der einzige. Denn ein paar Wochen später erschien ein Artikel, der die Aussagen deutlich relativierte. Doch der Spiegel war nicht das einzige Medium, das von den beiden „Vätermonaten“ sprach und erörterte, ob die Väter dadurch zu etwas gezwungen würden. Was für ein RIESEN-BLÖDSINN!

Denn bis heute begegne ich immer wieder jungen Eltern, die damals die Berichterstattung in den Medien verfolgt hatten und deshalb zwei folgenschwere Schlussfolgerungen zogen. Erstens: die Einteilung der Monate lautet per se 12+2, der  andere Partner kann also nur zwei Monate Elterngeld beziehen. Zweitens: diese zwei Monate sind „Vätermonate“ und daher für den Mann reserviert. Also lautet die logische Aufteilung: die Mutter nimmt die ersten 12 Monate Elternzeit, der Vater zwei weitere (oder zeitgleich zwei Monate, denn dass das möglich ist, haben viele mitbekommen). Was dabei völlig verlorengeht: Das Elterngeldgesetz ist vollkommen geschlechtsneutral. ES GIBT KEINE VÄTERMONATE! Die sind eine Erfindung der Medien. Genauso gut könnte die Mutter zwei Monate nehmen, und der Vater 12 Monate. Der nächste aus der Berichterstattung resultierende Denkfehler: die Aufteilung; denn ebenso gut könnte jeder Partner z.B. sieben Monate Elternzeit nehmen. Oder  einer vier Monate, der andere zehn Monate, und so weiter.

Mich hat der Spiegelartikel damals sehr aufgeregt, denn er hat mal wieder gezeigt, wie die Herren der Schöpfung manchmal ticken. Anstatt sich zu freuen, dass sie sich nun mehr beteiligen könnten, waren sie über den angeblichen Zwang hinter dem Gesetz empört. Und sie nahmen sich viel zu wichtig, fühlten sich persönlich angesprochen. Welche Mutter wäre wohl auf die Idee gekommen zu rufen: „Igitt, jetzt muss ich auch zwei Monate von der blöden Elternzeit nehmen und kann das nicht allein meinem Mann überlassen!“.

Hinter dem ganzen Trara steckte ein kulturell tief verwurzeltes Rollenverständnis: die Mutter hat sich nach der Geburt um das Kind zu kümmern. Deshalb nahmen die Herren vom Spiegel (und nicht nur die) die eigentlich völlig geschlechtsneutrale Regelung persönlich, und es setzte sich der Irrglaube durch, dass gesetzliche „Vätermonate“ existieren (die dann auch so zu nehmen sind). Immerhin: die Reisebranche hat davon stark profitiert. Denn jedes zweite mir bekannte Paar teilte die Elternzeit seit 2007  folgendermaßen auf: die Mutter nimmt 12 Monate Elternzeit, der Vater geht in Monat 11 und 12 zeitgleich in Elternzeit. Und alle gemeinsam bereisen ganz hip exotische Länder, wo sich dann in erster Linie wieder Mami ums Kind kümmert.

Die Skandinavier haben die Regelung weitaus besser begriffen als wir Deutschen. Sie nutzen die Elternzeit viel flexibler, gemäß dem Sinn, dass beide Partner gleichberechtigt Familien- und Erwerbsarbeit untereinander aufteilen. Kaum einer kommt dort auf die Idee, währenddessen auf Weltreise zu gehen!

2 Gedanken zu „Vätermonate? Gibt es nicht.

  1. Auch der, meiner Meinung nach nicht so weltoffene, „Spiegel“, betrachtet die Dinge durch seine Brille. Gut, dass Du die Hintergründe hier erläuterst. Und ich hoffe, dass viele Eltern diesen Blog lesen!

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